Überall ist Maryland

Die amerikanischen Behörden verlangen von durchreisenden Segelbooten, dass sich der Skipper und seine Crew allabendlich telefonisch bei der Customs and Borderprotektion meldet, jedenfalls dann, wenn das Schiff seine Position verändert hat. Die Amis wollen halt wissen, wer sich bei ihnen wo herumtreibt. Wir sind ja willig.
Ich habe diese Kommunikationsaufgabe an Michael delegiert. Er ist nicht so allergisch gegen überflüssige Bürokratie wie ich, spricht feinstes Oxford-Englisch und es gelingt es ihm wie keinem, mit wahrer Engelsgeduld die Gesprächspartner so lange um verständliche Aussprache zu bitten, bis diese entnervt aufgeben und uns für diesen Abend in Ruhe lassen.
 
Hier die Übersetzung eines typisches Telefongespräches zwischen einem Menschen der Zoll- und Grenzschützbehörde und der LUV:
 
„Hier ist Michael von der deutschen Segelyacht LUV. Wir wollen uns bei Ihnen melden.“
„Whuaereairju?“
„Das habe ich nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie“
„Whuaereairju?“
„Hier ist Michael von der deutschen Segelyacht LUV.“
„Wo – sind – Sie?“
„Im Potomac.“
„Whieuriesdat?“
„Das habe ich nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie.“
„Whieuriesdat?“
„Hier ist Michael von der deutschen Segelyacht LUV. Bitte noch einmal.“
„Wo – ist  – das, Potomac?“
„Das ist der Fluß, der von der Chesapeake Bucht nach Washington führt.“
„In – welchem – Bundesstaat  – ist – das?“
„Sie sind doch von hier. Woher soll ich das wissen?“
„In – welchem – Hafen – sind – Sie?“
„Wir liegen vor Anker in der Loan River Bucht.“
„Whieuriesdat?“
„Das habe ich nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie.“
„Wo – ist – das?“
„Das – ist – eine – Bucht – im – Potomac. Das – ist  ein – Fluss….“
„Ok. Keine Stadt?“
„Nein.“
“ Dann – brauchen – Sie – sich – auch – nicht – zu – melden. Erst – in – der – nächsten – Stadt.“
Na dann.
In der nächsten Stadt sind wir am Freitagabend. Die Grenzschützer sind nur noch per Anrufbeantworter erreichbar. Wir diktieren Namen und Standort und die Nummer unserer Reise-Erlaubnis aufs Band und bitten um Rückruf. Die Stimme vom Band bedroht uns nämlich, wir müssten zehntausend Dollar bezahlen, wenn wir der Meldepflicht nicht nachkommen. Wie aber belegen wir unsere Gesetzestreue? Auch am Sonnabend macht der US-Grenzschutz frei, am Sonntag sowieso.
Am Montag der Rückruf:

„Weiditjunotcompleiwisthelo?“

„Hier ist Michael von der deutschen Segelyacht LUV. Ich habe Sie nicht verstanden.“
„Warum – haben – Sie – sich – nicht – gemeldet? „
„Warum haben  Sie Ihren Anrufbeantworter nicht abgehört?“
„Oh – Sie – haben -darauf -gesprochen.?“
„Dreimal.“
„Whuaereairjuexakkt?“
„Bitte wiederholen Sie.“
„Wo – sind – Sie – jetzt – gerade – genau?“
„Ich laufe gerade zum Supermarkt.“
„Ach – Sie – gehen? Sie sind nicht im Auto?“
„Ich habe kein Auto, ich gehe zu Fuß. Und sonst segel ich.
„Wirklich?“
„Wirklich.“
Nach einigem Hin und Her einigt Michael sich mit dem Beamten darauf, dass wir jetzt erstmal eine Zeitlang in den Gewässern von Maryland bleiben. Solange die LUV die Grenzen  dieses Bundesstaates nicht verlässt, müssen wir uns nicht erneut melden.
 
Für die LUV  ist erst einmal überall Maryland.
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