„Mann über Bord! “ Eggert reagiert am Ruder vorbildlich und sofort auf meinen Alarmruf. Kaum ist der aus dem Mund, kommen seine klaren Kommandos:“Vorsegel bergen! Ein Mann an die Grossschot!“ Mit der einen Hand dreht er das Schiff in den Wind, mit der anderen hält er den MOB- Knopf gedrückt. Auf Gegenkurs zeigt uns jetzt der Bildschirm am
Steuerstand, wo genau der M(ann)O(ver)B(ord) gegangen ist und wo wir diesen Schiffbrüchigen jetzt in der aufgewühlten Sargossasee suchen und retten müssen.
Der Mann ist ein Rettungsring. Der war mir aufgefallen, als die LUV im Abstand von einer halben Kabellänge daran vorbeigesegelt war. So etwas kann man auf See nicht einfach links liegen lassen. Wer weiß, ob der orangerote Ring nicht von einem Schiffsuntergang stammt. Womöglich warten Angehörige von verschollenen Seeleuten auf Nachriten oder auf Hinweise, wo denn die Katastrophe stattgefunden haben könnte. Hier hatten wir das letzte Zeugnis eines schrecklichen Unglücks. Das muss geborgen werden. Eggert mutmaßt, mir ginge es doch nur darum, ein dekoratives Stück für meine Hafenkneipe aus dem Wasser zu fischen,
wenn ich demnächst mal eine in Buxtehude aufmachen wollte. Eine betagte bunte Hummerboje hätte ich ja ach schon in meinem Schrank versteckt.
Sei’s drum. Das Mannöver klappt reibungslos. Mit dem Bootshaken hieven wir das maritime Rettungsmittel an Bord. Der vom Salzwasser abgewaschene Heimathafen ist nur als Schatten abgewaschener Klebebuchstaben auf dem harten Kunstoff zu erkennen: Nassau.
Der Schiffsname, den jeder Rettungsring tragen muss, ist nur unvollständig und schon sehr verblasst. Wir raten eher, als dass wir entziffern: Norwegian Sky.
Es existiert eine große Kreuzfahrtlinie, deren Schiffe alle mit „Norwegian“ beginnen. Von einem abgesoffenen Kreuzfahrer dieser Reederei hätten wir bestimmt gehört. Also kein Unglück. Doch nur Dekoration. Auch nicht schlecht. Und außerdem sollte auf jedem Schiff ab und an ein Mann-über-Bord-Mannöver geübt werden.