Seit Stunden mussten die Segel um keinen einzigen Millimeter justiert werden. Der warme Passat bläst beständig aus Nordost und mit gleichmäßigen vier Windstärken, eine perfekte Backstagbrise. Die See ist nur mäßig bewegt. Die Luv legt sich geschmeidig in die Wellen, hebt sich ein wenig, giert ein wenig und hält präzise ihren Kurs. 170 Grad und noch 779 Seemeilen bis nach Antigua. Mit jeder Stunde, die wir nach Süden vorankommen, werden es gute acht Meilen weniger. Ausgezeichneter Speed.
Nur auf See, nur in einer solchen Nacht mit dieser samtenen Luft, leicht feucht, zart salzig, ist solch ein Sternenhimmel möglich. Der Mond wird erst weit nach Mitternacht aufgehen und erst dann mit seinem Licht diesem tiefschwarzen und zugleich millionenfach glitzernden und leuchtenden Firmament seine einzigartige Brillanz nehmen.
Silbrige Satelliten – von der längst versunkenen Sonne in ihrer Höhe gleichwohl noch beleuchtet – ziehen ihre Bahnen. Sternschnuppen zeichnen mal feine, mal kräftige helle Blitzstriche quer durch Orion, den Großen Wagen oder bis hinunter in den Horizont. Ein Fliegender Fisch zappelt im Cockpit, handtellergroß. Claus hat Mitleid und er fliegt wieder von Bord. Ein paar silbrige Schuppen glitzern auf dem Teakdeck.
Wann, wenn nicht jetzt, muss über Gott und die Welt philosophiert werden? Mit Eggert an Bord ist das nicht denkbar. Er ist Physiker und kann die Weltgesetze von Gravitation und Urknall bis Dunkler Materie und Raum-Zeit-Krümmung so nachvollziehbar erklären, wie Newton und Einstein. Wie entstand all diese Pracht über uns? Gibt es Leben da draußen?
Gott kommt in Eggerts spannenden Scenarien nicht vor. Schließlich überstrahlt der abnehmende Mond den dünnen Lichtschleier der Milchstraße. Nur noch die helleren Sterne und Planeten behaupten sichtbar ihre Plätze. Der Wind bläst immer noch aus Nordost mit vier Beaufort, noch immer hat niemand an irgendeiner Schot gezogen, noch immer machen wird sehr gute Fahrt. Wir warten auf den Sonnenaufgang. Der wird spektakulär. Die Welt bekommt wieder Farbe.
Björn überrascht uns mit der Mitteilung: „Ich hab heute Geburtstag.“ Herzlichen Glückwunsch! Ich backe für jeden in der Crew ein Brötchen knusprig. Michael brüht einen Kaffee auf.
Welch eine Nacht. Welch ein Tag.
Besser geht nicht.