Logbuch der Luv
La Rochelle , Hafentag
Geschichten über die Fortbewegung mit Segelbooten lassen sehr oft das Wichtigste aus: Die Häfen.
Die meiste Zeit liegen die Yachten schließlich angebunden im sicheren Hafen anstatt ungebunden auf den Wellen zu tanzen. Und ist das Schiff doch mal auf See, dann ist der Hafen immer das Ziel.(An dieser Stelle lassen wir mal die Betrachtung außer acht, wonach für den wahren Segler der See-Weg allein schon das Ziel sei) . Eben haben wir einen Hafen verlassen, von dem uns zuvor leider niemand abgeraten hat. Pornichet ist ein trister, an der Mündung der Loire gelegener Ort. Die Luv hat dort für eine Nacht Rast gemacht, weil die Crew nach 85 Seemeilen Schaukelei keine Lust mehr hatte, noch weitere zwei Stunden in den späten Abend hinein bis zum nächsten kuscheligeren Fischerhafen zu segeln. Der Supermarkt dort – wenn es denn einen gegeben hätte – wäre garantiert schon geschlossen gewesen und unsere Vorräte, nicht nur an Wein und Bier, sind auf null. Pornichet also, eine langgestreckte Bucht, die von einem bis zum anderen Ende mit massentouristisch nutzbaren immer gleich öden Betonklötzen bebaut ist. Ich bin sicher, diese Stein gewordene Einfallslosigkeit ist allein einem einzigen Architekten gelungen. Ein zweiter Baumeister hätte sicher für ein ganz klein wenig Abwechslung gesorgt.
Weil mithin über Pornichet eigentlich nichts weiter zu berichten wäre, will ich die Gelegenheit nutzen, über das zu schreiben, was uns Seglern in Häfen wirklich wichtig ist. Ich meine die Fascilitäten. Oder auch Toiletten und Duschräume genannt. Nichts ist wichtiger, als nach langer Sturmfahrt mit heißem Wasser das Salz aus den verklebten Haaren und vom ausgekühlten Körper zu spülen. Die Qualität und Verfügbarkeit der Hygiene-Gebäude bestimmt daher für Wassersportler den Rang der Häfen in der Qualitätshitliste.
Denken wir, wenn wir uns an den letzten Helgolandaufenthalt erinnern, an die rotfelsige „Lange Anna“ oder den Helgoland-Hummer? Keineswegs. Die Spitzenmeldung auf der offiziellen Website zur größten deutschen Hochseeregatta, der Nordseewoche an Pfingsten 2013, war diese Mitteilung: “ Mehr Toiletten und Duschen im Hafen Helgoland!“
Kommt man, wie gegenwärtig die Luv auf der Langfahrt über Deutschland hinaus nach Westen, festigt sich in allen EU-Anlegestellen die gleiche Erfahrung: Die Planer und Erbauer von Hafenklos und Hafenduschen sind sämtlich keine Segler. Sonst wüssten sie nämlich, dass die Crews in aller Regel mit Jacke, Hemd und Hose, mit Handtuch und Kulturbeutel zur Körperpflegestelle laufen. Wohin aber mit alldem? Keine Ablageflächen nirgendwo, kaum Haken, um die Utensilien loszuwerden. Dann steht also Hein Seemann halbnackt vor dem Waschbecken, die Klamotten zwischen die Knie geklemmt und putzt sich die Zähne. Unter der Brause bietet sich der Trick mit den Knien eher nicht an. Heute früh, in der Dusche von La Rochelle, wird ein weiterer Mangel offenbar. Sowohl Kleidung als auchKultur können kunstvoll auf einen Knopf geknotet werden. Die Schuhe bleiben am Boden. Ein grober Fehler. Per Knopfdruck schiesst es mit Hochdruck aus der Brause und setzt die winzige Kabine unter Wasser. Die Schuhe auch. Regelbar sind Menge, Druck und Richtung des alles befeuchtenden Strahls nicht. Dafür ist die Temperatur angenehm warm. Das ist nicht immer so. In Pornichet gibt’s zwar auch keine Haken und Ablagen, dafür ist das Wasser ausschließlich knallheiß. Die Franzosen bringen in ihrer Hafen-Douche nicht nur empfindliche deutsche Gäste sondern womöglich auch ihre Hummer um. Nicht wenige Segelboote an der Atlantikküste führen tatsächlich Hummerkörbe als Fanggerät mit an Bord.
Apropos warmes Wasser. Irgendwer sollte den Engländern mal verraten, dass die Einhebelmischbatterie bereits erfunden wurde. Mindestens in allen von uns dort angelaufenen Ports war diese nützliche Neuerung unbekannt. Links warm, rechts kalt, mischen in der hohlen Hand. Wenn irgendwer in Frankreich mit Blick auf Elbphilharmonien, Bahnhöfe und Flughäfen Hohn und Spott über unfähige deutsche Grossprojektplaner ausgießen sollte, darf man ihm entgegenhalten : „Port des Plaisance La Rochelle“. Mit 5000 Liegeplätzen der mit Abstand größte Sportboothafen Europas. Noch nicht ganz fertig. Aber die Duschen sind bereits verschimmelt. Die Lüftung wurde vergessen.
Zum Thema Toiletten noch etwas Versöhnliches. Zwischen Pornichet und La Rochelle bleiben wir zwei Tage auf der wirklich traumhaften Insel Isle D’yeu. Auch dort keine Haken und Ablageflächen aber ein Schild an der Tür: „Geschlossen ab 20 Uhr.“ Was machen wenn man nachts mal muss? Das Bordklo, im Hafen sonst tabu, kommt zu Ehren. Beim Pumpen im dustern spühlt es mit einem mal hell grünes Meeresleuchten ins Becken. Kann man feiner pinkeln?
Heiko Tornow