Genau hier hat er gestanden, der Heilige Gral des Segelsports. Die „Kanne“, der legendäre Americas Cup. 138 Jahre lang konnten die Skipper der New York Yacht Club die Zinntrophäe verteidigen. Dann ging sie an die Australier. Zu bewundern ist hier aber auch so noch genug: Dutzende Schiffsmodelle, hunderte von Pokalen und Tellern und Schalen aus Silber und Glas und mit Füßen aus Ebenholz und mit den leicht patinierten Namensplaketten der siegreichen Seehelden der vergangenen einhundert 171 Jahre. Dennis Connor, vielfacher Verteidiger und tragischer Verlierer des Americas Cup – sein Name ist gleich mehrfach eingraviert. Mehr maritime Tradition geht eigentlich nicht.
Ich stehe im dunkel getäfelten Throphäen- Saal des New York Yacht Club von 1844 in Newport, Rhode Island. Nick Brown gibt mir eine Privatführung durch das Clubhaus, das wie ein Schloss hoch über dem Newport Harbour thront. In der Bucht haben sich hunderte Segelboote an ihren Moorings und Ankerketten mit der Nase in den frischen Wind gelegt. Dort liegt auch die Segeljacht von Nick, die „Foxtrott“. Das ist eine X 482, Baunummer 52. Unsere „Luv“ liegt dicht daneben. Sie ist auch eine X-482, Baunummer 53, und dieser Zufall hat mir Nicks Einladung und Privatbesichtigung eingebracht. Er wollte den Skipper seines Schwesterschiffes kennenlernen und mit ihm fachsimpeln.
Nick macht eine Tür auf: „Hier habe ich meine Schularbeiten gemacht. Da drüben hat meine Tante ihren Tee eingenommen und gestickt.“ Eine weitere himmelhohe Flügeltür schwingt auf und gibt den Blick frei auf schwere Stilmöbel, glitzernde Kronleuchter, überall erlesene Antiquitäten, die Wände sind voll mit wertvollen historischen Gemälden, Seestücke zumeist. „Hier haben wir gegessen.“, sagt Nick Brown. Der ehemalige Captain der US-Navy ist 82 Jahre alt und in diesem Schloss aufgewachsen, dass sein schwer reicher Großvater 1906 im Renaissance-Stil einem französischen Landadel -Sitzes nachgebaut hat. Gleich um die Ecke prunkten die Rockefellers und die Vanderbilts mit gewaltigen Prachtvillen. Mit der späteren Präsidentengattin Jacky Kennedy, sie wohnte gleich nebenan, ist Nick mal ausgegangen. Newport war – und ist – eine erste Adresse des amerikanischen Geldadels.
1985 hat Nicks Familie den “ Harbourcourt“, das Hafenschloss, an den New York Yacht Club verkauft: Die Unterhaltskosten seien zu hoch geworden, sagt er: „Im Winter mussten wir viertausend Dollar nur für die Heizung ausgeben. Im Monat!“ Seither ist er hier nur noch Mitglied. Aber einer mit Gewicht und Einfluss. Im zuständigen Ausschuss sorgt er für den pfleglichen Umgang mit dem selbstverständlich unter Denkmalschutz stehende Anwesen.
Vor Jahren, 2007, war ich mit meiner Luv-Crew schon einmal in diesen heiligen Hallen, in denen Handys stärkt verboten und Krawatten und Jackett für die Herren verpflichtend sind. Der NYYC hatte am Vorabend des Starts der transatlantischen Blue-Race Regatta von Newport nach Hamburg alle Teilnehmer zur Farewellparty eingeladen. Wir waren davon ausgegangen, dass es etwas auf die Gabel geben würde und hatten in dieser Erwartung den ganzen Tag über kaum etwas gegessen. Leider servierten nur sechs Bedienstete auf sechs silbernen Platten lediglich kleine Häppchen für an die hungrige 500 Gäste. Die Luvianer machten aus der Not eine Tugend. Wir positionierten uns, fünf Mann rechts, fünf Mann links, neben der Schwingtür von der Küche zum Großen Saal. Kam eine neue Platte auf einer Kellnerschulter durch die Tür, griffen 20 Hände gleichzeitig die Fingerfood-Stücke ab. Die Platten kamen nicht dann mehr weit. Der Trick funktionierte eine ganze Weile. Dann wurden wir von unserer Poleposition mit einer extravollen Platte mit Chicken-Wings und reichlich Lachshäppchen mit Ei und Kaviar weggelockt.
Heute werde ich bedient. Nick hat auf der sonnigen Terrasse zum Lunch gebeten. Mit dabei ist Heather, eine sehr junge, sehr attraktive Frau, die auf der „Foxtrott“ für Nick als Bootsfrau arbeitet. Wir unterhalten uns über unsere Schiffe, die unterschiedlichen Segel, die wir jeweils an Bord haben, den unterschiedlichen Tiefgang von Luv und Foxtrott. Als Nick beim Kaffee feststellt, dass nur Süßstoff im Zuckerbecher ist, zitiert er die Kellnerin zu sich und macht ihr in Wortwahl und Tonfall klar, wer noch immer Herr im alten Haus ist: „Ich will echten Zucker, verdammt noch mal. Und ich will das nicht noch einmal sagen.“
Selbstverständlich, sagt das Mädchen. Das müsste doch so nicht sein, sagt Heather. Doch, sagt Nick Brown. Er hat hier sehr alte Rechte und er hat nicht vor, sie abzugeben.