Michael ist heute früh auf Krawall gebürstet. Erst beschwert er sich mürrisch darüber, dass die vier Schokoladentafeln gestern an drei verschiedenen Stellen des Schiffes verstaut worden seien und keine an seinem rechten Ort, jedenfalls nicht im eigentlich seit Jahren für Süssigkeiten vorgesehenen Schapp. Es ist ihm auch nicht recht, dass zum Frühstück keine Wurst auf dem Salontisch der LUV liegt. Wer denn gestern beim großen Provianteinkauf die Wurst vergessen habe? Dabei war er mit im Supermarkt. Und jetzt will er, nur mäßig beschwichtigt durch ein Rührei mit Speck, auf einmal wissen, ob sich Windräder linksherum oder rechtsherum drehen.
Das ist zwar eine für Segler durchaus relevante Frage – richtig beantwortet hilft sie, die Windrichtung anhand der an Land stehenden und sich drehenden Windräder sicher zu bestimmen. Aber Michael will gar keine Antwort – er glaubt sie nämlich schon zu kennen. Er will Wirrnis verbreiten: „Wie bestimmst Du die Drehrichtung: Wenn du vor der Windmühle stehst? Oder wenn Du von hinten draufguckst?“
Ich sage: „Das Ding dreht sich doch nicht anders, wenn du mal von der einen, mal von der anderen Seite hinschaust.“
Doch, sagt Claus, von hinten sähe es aus, als ob es linksrum dreht und von vorn andersherum. Oder umgekehrt.
Wie das denn bei Schiffsschrauben sei, fragt Michael, nicht etwa um das Thema zu wechseln. Eggert sagt: „Da mußt du tauchen und nachschauen.“ Und Klaus ergänzt, man könne auch den Motor anschauen und versuchen, an der Welle die Drehrichtung zu erkennen. Aber, so Michael: “ Was heißt denn beim Motor von vorn betrachtet und was von achtern?“ Die Frage bleibt offen. Zum tauchen ist es viel zu kalt. Die Luft im Hafen von Barrington, Rhode Island, misst grad null Grad, das Wasser ist mal eben 6 Grad wärmer.
Es ist Herbst in den USA und wir bereiten uns auf die lange Reise in den warmen karibischen Süden vor. Die Luv muß noch hier und da seetüchtig gemacht werden. Das Ruder bekommt ein neues Gestänge. Das Rigg wird sorgfältig geprüft. Eigentlich wollen wir auch die Navigationselektronik reparieren. Aber die Ersatzteile stecken in unserem Fluggepäck und Air France schafft es seit drei Tagen nicht, die Koffer und Seesäcke von New York endlich nachzuliefern. Wir sind ohne Unterwäsche, ohne Zahnbürste und ohne Rasierseife
Das kann schon mal zu wunderlichen Tischgesprächen führen. Ich leiste meinen Beitrag: Man wisse ja, dass auf der Südhalbkugel das Wasser im Waschbecken genau andersherum durch den Abfluss herauskreiselt, als bei uns im Norden und es wäre doch interessant zu erfahren, auch aus seemännischer Sicht, wegen der Richtungsbestimmung des Windes, ob sich zu Beispiel in Südafrika die Windräder andersherum drehen. Eggert weiß, dass dort unten der Wind nicht bläst, sondern saugt, jedenfalls wenn man das Tief von oben betrachtet. Björn, er ist Lehrer, weiss, dass das mit dem falsch herum drehenden Waschbeckenwasser an der Corioliskraft liegt und die etwas mit der Erdumdrehung zu tun hat.
Bevor nun jemand fragen kann, ob die Erde sich nun so oder andersherum dreht, stellt Michael seinen nackten rechten Fuß auf die Sitzbank. Der Nagel des großen Zehs ist rot angemalt. Wir erfahren, dass seine Freundin den Pinssel geschwungen hat und zwar in der Hoffnung, die Südseeschönheiten von ihrem Schatz abzuschrecken. Denn, so Michael, wer so einen angemalten Zeh bei einem Mann sehe, der weiß gleich: Entweder ist der schwul oder in festen Händen einen liebenden Frau.
Ich wende ein, dass der rechte große Zehennagel nicht rot, sondern grün angemalt gehöre, jedenfalls bei Seeleuten. Denn seit altersherr gelte diese Regel in der Seefahrt: Backbord rott. Steuerbord grün. Und es sei völlig egal ob man den angemalten Seemann nun von vorn oder von achtern zu sehen bekommt. Gegen dies Argument erhebt sich dann kein Widerspruch mehr.