Fast hätte ich es vergessen, zu erzählen: es gibt noch Fischerei auf Neufundland. Mit Langleinen angeln Seeleute mit sehr kleinen Booten sehr große Plattfische in sehr großer Tiefe. Morgens früh landen sie den Heilbutt direkt gegenüber unserem Liegeplatz in Port aux Basques an. Das ist ein pittoreskes Schauspiel. Es beginnt damit, dass ein Gabelstapler eine braune Holzkiste vom Format eines Herzchenklos auf der Pier abstellt. Anstelle des Herzchens befindet sich eine Klappe vorn an der Kiste, anstelle des Klos steht ein Drehstuhl. Auf diesem sitzt eine Frau und schaut sich durch die Klappe an, was vor ihr geschieht: Aus der Luke des Fischerbootes hievt eine kleine Winsch große Fische an Land, angebunden am Schwanz mit einem Drahtseil. Ein Mann im roten Ölzeug misst den Fisch von Kopf bis Schwanz: „185“. Ein weiterer Mann in rot schneidet den Kopf ab, drei Männer im grünen Ölzeug wuchten das Tier auf eine große Waage. Die Frau in dem Klo, nein der Holzkiste, sagt das Gewicht an: „140“ und schreibt es in ein Formular, in dem auch die Größe vermerkt wird. In einer großen Plastikkiste landet der Butt neben und über den anderen. Ein weiterer Arbeiter schaufelt Eis darüber. „Ein guter Fang heute.“, sagt der Fischer, „Nur ein Tag und fast jeder Haken mit Fisch.“ Ob das denn heute besonders große Fische seien, will ich wissen. Nein, sagt er, es gebe schon mal welche mit dem doppelten Gewicht.
Die Frau gibt Auskunft. Sie sei von der Fischereiaufsicht und müsse darauf achten, dass kein Fischer mehr anlandet, als seine vorgegebene Quote erlaubt. Kein Heilbutt darf unregistriert gefangen werden. „Nachhaltige Nutzung der Meeresproduktivität“, heißt diese Politik, die in Neufundland nach dem katastrophalen Zusammenbruch der Kabeljaupopulation die Zukunft der Fischerei sichern soll. Der Mann mit dem Maßband sei übrigens Wissenschaftler. Der sammle Daten und davon hingen die Fangquoten der Zukunft ab. Zum Schluss kommen in einem großen Kübel noch kleinere Heilbutts aus der Luke.
Auch Sie landen kopflos aber vermessen auf der Waage. Der Fischer versucht zu mogeln: “ Acht Fische.“ Die Frau sagt „Neun, es sind neun.“
Mit einem einheimischen Ehepaar kommen wir ins Gespräch über Fischgerichte. Nein, auch Sie hätten hier an der Suedwestkueste von Neufundland noch kein Restaurant gefunden, das ordentlichen Fisch zubereiten könne. Entweder der Heilbutt werde mit fader Mehlpanade in der Fritteuse hingerichtet oder in der Pfanne sossenlos gehärtet. Um ganz ehrlich zu sein, sie hätten überhaupt noch kein ordentliches Restaurant gefunden, sagen uns die beiden Insulaner.
Auch wir haben diese betrübliche Erfahrung gemacht und deshalb will ich für unsere Bordküche frischen Fisch kaufen. Im Beifang der Heilbuttfischer finden sich zwei ansehnliche Kabeljau. Die gibt es für zehn Dollar mit Eis als Zugabe. Ich bereite mit viel Aufwand daraus eine Fischsuppe und zart gedünsteten Dorsch mit Kartoffeln und Senfsoße. Bei Rosi komme ich damit leider nicht an: Sie mag Fisch nur gebraten. Und ohne Gräten. Rosi könnte sich auf Neufundland wohlfühlen.