Wenn Segler über ihre Erlebnisse berichten, spielt das Wetter immer eine Hauptrolle. Das ist auf der einen Seite naheliegend und selbsterklärend, auf der anderen Seite aber selbst für geneigteste Landratten, die mit den ewigen Stories von Stürmen und Wellen und Wolken belästigt werden, nicht immer interessant. Dennoch, auf die Gefahr hin, zu langweilen: hier eine wirklich ungewöhnliche Geschichte über das Wetter in Nordost-Kanada.
Sie beginnt damit, dass heute die Frühstücksbutter beinahe von allein übers Pumpernickel geflossen wäre. Gemeinhin ist es morgens unter Deck so kalt, dass der fette Brotaufstrich entweder über einige Minuten heftig angehaucht werden oder im Gasbackofen auf Streichtemperatur gebracht werden muß. Aber hier in Ballantyne’s Cove ist es um sieben Uhr in der Früh warm, richtig warm. Wenn es nicht so windig wäre, wir würden draußen im Cockpit frühstücken, mit kurzer Hose und dünnem T-Shirt. Es fühlt sich an, als wenn man nach kurzen Flug vom nasskalten Hamburg im frühsommerlichen Südspanien landet.
Zwei Wochen lang hat die LUV-Crew täglich mit dem winterlichen Klima von Nova Scotia im Wonnemonat Mai gehadert. Die Einheimischen hatten uns denn auch bestätigt, dass wir besonderes Pech hätten. Nie sei es so kalt, so schneereich , so lang anhaltend eisig gewesen wie im Winter 2015. Die Dächer seien unter der Schneelast zusammengebrochen, erzählt die Inhaberin des kleinen Fish and Chip – Laden in Canso. Noch immer lägen die weißen Massen ungeschmolzen in den Urwäldern der Insel . Am 11. Mai habe man noch Eisschollen im Hafen von Ballantyne’s wegschieben müssen, berichtet der Fischer Bernhard, erst dann hätten er und seine Kollegen ihre Boote zu Wasser lassen können.
Eine Erklärung für den plötzlichen Temperatursprung finden wir in dem Umstand, dass wir uns seit gestern an der Westküste Nova Scotias aufhalten. Der Südwest-Wind, bisher vom Labradorstrom tiefgekühlt, erreicht uns nun nach einer gehörigen Strecke über sonnenbeschiene Landmassen. Aber ins Schwitzen sei man ohne Anstrengung um diese Zeit hier noch nie gekommen, sagt Walter Diamond, im örtlichen Segelclub seit Jahrzehnten der Schatzmeister: “ Ungewöhnlich, höchst ungewöhnlich.“ Wir spekulieren angeregt über die Folgen der Erderwärmung und des Klimawandels.
Am frühen Nachmittag bezieht sich der Himmel. Der Wind dreht rechts um 90 Grad, die Kaltfront eines neuen Tiefs überquert die Insel. Wir ziehen uns die langen Hosen wieder an und setzen die Mützen auf. Und die Butter ist auch wieder hart.