Chester gibt den Rat, besser noch einen weiteren dicken Festmacher auszubringen. Wenn der Sturm heute Nachmittag einsetzt, warnt der Hafenmeister der Liscomb Lodge Marina, könne es gewaltig den Liscomb River hinunter wehen. Müssen wir Chester glauben? Übertreibt er da nicht ein wenig? Ist doch schon der Begriff „Hafenmeister“ eine ebenso heftige Übertreibung wie die Bezeichnung „Marina“ für den einen kurzen Schlengel, an dem die LUV als einziges Schiff weit und breit festgemacht hat. Und ausserdem: So tief ins Land wird der Sturm schon nicht kommen.
Andererseits: Chester ist schon seit 42 Jahren Herr über diesen in keiner offiziellen Seekarte vermerkten Anleger und eine „wertvolle Quelle des Wissens“, wie unser Seehandbuch aus den wenigen Erfahrungsberichten von Seglern zitiert, die es in diese „Wilderness Area“ verschlagen hat. Also wird die LUV zusätzlich gesichert, sogar mit zwei Extraleinen.
Wir hatten uns ursprünglich von dem Restaurant anlocken lassen, dass es hier geben sollte. Das aber ist noch im Winterschlaf, ebenso wie das dazugehörige Hotel. Chester ist aber so lieb, die Dusche für uns aufzuschließen. Er will uns sogar sein privates Auto zur Verfügung stellen, damit wir im einige lange Meilen entfernten Shop unsere Vorräte aufstocken können.
Die LUV ist aber gut ausgerüstet. Und geduscht haben wir erst vorgestern, selbst James duftet noch nach Seife. Also schlage ich in der Früh vor, wieder abzulegen, Sturm hin oder her. Eggert hat herausgefunden, dass es erst gegen 17 Uhr wirklich unerträglich blasen soll. Bis dahin könnten wir, schlage ich vor, doch noch ein gehöriges Stückchen weiter segeln, grobe Richtung Grönland. Einsame Buchten und sichere Ankerplätze fänden sich unterwegs gewiss dutzendfach.
Zisch sagt leise aber bestimmt, er würde lieber laufen. Rosi schüttelt nur den Kopf und sucht in der Bordapotheke nach Beruhigungsmitteln für mich. Auch James erweist sich – wie die gesamte Crew – als Schisser. Er wolle gerne in dieser sicheren Einöde bleiben oder Bahn fahren, als auf stürmischer See Kopf und Kragen zu riskieren. Alle meine Beschwörungen nutzen nichts. Ich bin der einzig wirklich mutige Seemann an Bord, muß aber, leider leider, nachgeben. Zum Trost gehe ich jetzt erst mal warm duschen.