Ich erinnere mich an eine Nebelfahrt vor Jahren entlang der norwegischen Küste. Die Sicht reichte gerade mal vom Ruder bis zum Vorsegel. Um uns herum nur dunkelgraue, kalte, nasse Suppe. Wir hatten keine Ahnung, wo genau wir waren. Aber wir wussten, überall vor den Fjorden lauern felsige Untiefen. Alle an Bord lauschten angestrengt ins Nichts. Sind da vielleicht Brecher voraus, die uns verraten, dass wir gleich auflaufen und das Boot zerschellt? Rainer, der Skipper, sagte in dieser Situation den blöden Satz: „Ich habe keine Angst vor dem Nebel.“ Seine Crew hatte ihn sofort danach abgesetzt, jedenfalls moralisch. Wir sind davon überzeugt: Die Farbe dieses Wetters hat dem Grauen seinen Namen gegeben.
Heute ist es wieder mal soweit: Nebelfahrt. Die Südküste von Nowa Scotia zeigt sich von ihre unangenehmen Seite: Vom Osten rollen hohe Wasserberge heran, die Erinnerung an den Orkan der vergangenen Nacht; vom Süden bläst ein neuer Wind schon wieder mit Sturmstärke und setzt auf die alte lange Welle eine neue kurze und steile, die sich tosend bricht und kalte Gischt verspritzt. Die LUV schaukelt, giert und bockt und steuert ins Nirgendwo. Die feinen Tröpchen kondensieren auf Klamotten und Haut, verdichten sich auf Rigg und Segeln zu dicken Tropfen und regnen auf uns herab. Weisse schlanke Tölpel tauchen aus dem Grau auf, tippen kurz mit einer schwarzen Flügelspitze auf einen Wellenkamm und verschwinden wieder in der undurchsichtigen Luft. Wer hat diesen eleganten Vögeln bloß den unsinnigen Namen verpasst?
Eigentlich sollte genau hier eine rotweisse Untiefentonne stehen, mit einer Glocke ausgerüstet und mit vier Schlegeln, die laut im Wellengang abwechselnd gegen die Bronze schlagen. James sagt: „Wie Sie sehen, sehen Sie nix.“ Wir hören auch nix. Entweder die Tonne ist schon vor der LUV abgesoffen oder wir sind hier völlig am falschen Ort. Sicherheitshalber
setzt Claus, heute unser Navigator, einen Kurs weiter hinaus auf See ab.Dort ist die Sicht zwar auch nicht besser, aber der Meeresboden ist weiter weg.
Ein leises Pfeifen dringt an unsere Ohren. Erst wähnen wir, der Wind nutze mal wieder den Mast der LUV als Blasinstrument. Das Geräusch wiederholt sich aber genau alle Minute und es wird allmählich lauter. Die Seekarte verrät uns: Das ist der Leuchtturm von Western Head, versehen mit einem Nebelsignalhorn. Das muss ein gewaltiges Instrument sein. Gegen
den strammen Sturm mit gut sieben Beaufort ist der Heulton auf eine Entfernung von über fünf Meilen auszumachen.
Als wir beinahe auf Steinwurfweite an Western Head herangesegelt sind, hat sich der Nebelvorhang wie von Zauberhand gehoben. Die Sonne scheint. Das Nebelhorn tutet weiter in unsere Ohren. Völlig überflüssig und wirklich viel zu laut.