Das Sturmtief kündigt sich schon am Vormittag mit den mittelhohen Stratos-Wolken seiner klassischen Warmfront an. Nach den frostigen Temperaturen, die der Nordwind in den vergangenen Tagen von Alaska nach Nova Scotia geschaufelt hatte, sind wir dankbar. Für ein paar Stunden sind statt des dicken Ölzeug mal wieder leichtes Hemd und kurze Hose im
Cockpit zu sehen. James geht sogar noch einen Schritt weiter. Vier bis fünf angenehme Windstärken aus sehr angenehmer Richtung. Mal wieder ein herrlicher Tag auf See.
Aber mit dem Wind ist es leider wie mit dem Wetter: Sehr veränderlich. Gegen Abend frischt er auf. Die ersten Tropfen fallen. Dann schüttet es. Claus hat vergessen, eine Luke rechtzeitig zu schließen. Die eben mühsam getrockneten Spinnacker triefen wieder. Wer jetzt am Ruder steht, trieft auch. Die Luft wird immer schneller. Sieben, acht, dann neun Windstärken.
In den ganz harten Böen messen wir 52 Knoten, dass sind elf Beaufort. Nur noch ein kleiner Schritt und wir befinden und mitten im schönsten Orkan. James sagt:“De arme Lüüd an Land.“ Die Urgewalt des Meeres, aufgepeitscht durch starken Wind, ist schon oft beschrieben worden. Mir ist in der heutigen Sturmnacht vor allem der Lärm aufgefallen, der vom Wind erzeugt wird. Er bringt die stählernen Stangen, die den Mast halten, in zitternde, jaulende, kreischende Schwingungen.
Sehr durchdringend, auf und abschwellend, gelegentlich schrill quietschend und schräg kreischend. Der Rumpf der LUV ist verstärkender Resonanzkörper für diese Kakophonie. Das alles verbindet sich mit dem taktlosen Schlagen der Fallen gegen den holen Mast. Unter Deck hält es da niemand aus. An Deck auch nicht. Der Regen fliegt waagerecht als ziemlich
undurchsichtige Wasserwand, die kaum noch Luft zum Atmen enthält. Wie schön, dass wir lange vor dem Sturm im sehr sicheren Hafen von Lokkeport angekommen sind. Wir essen guten Dorsch in der Fischerkantine „Weisse Möve“, die sich als Restaurant getarnt hat. Danach Skat im trockenen Salon der LUV. Wir reizen etwas lauter als sonst. Den Fallen untersagen wir mit ein paar Handgriffen das Lärmen. Orkan im Hafen ist durchaus auszuhalten.