Den Tag über schippern wir mit der Luv durch das eiszeitlich anmutende Granitarchipel im komplett bewaldeten südlichen Maine. Es ist nicht einfach, einen sicheren Kurs um die zahlreichen Schären und die noch weit häufigeren bunten Bojen zu finden, mit denen die einheimischen Fischer ihre Hummerkörbe hier markieren. Wir sind im Lobstercountry, dem
Schlaraffenland für unseren Segelkameraden Eggert. Krustentiere sind sein ein und alles. Schon zu Beginn unserer Reise in der Bretagne oder in Portugal steuerte er immer zielsicher genau die Häfen an, in denen die besten Krebse, Langusten, Scampi, Garnelen und – vor allem – Hummer auf den Märkten feilgeboten wurden. Auf St. Lucia in der Karibik kaufte er
einem Fischer den ganzes Tagesfang ab. Ein volles Dutzend der vielgliedrigen und tentakel-besetzten Panzertiere landete noch lebendig im Cockpit der LUV. Sie umzubringen, in unserem viel zu kleinen Kochtopf zu garen und die Viecher ohne wirklich geeignetes Werkzeug mundgerecht zu zerlegen war schon eine ziemliche Sauerei. Sie haben aber, zugegeben,
wirklich toll geschmeckt.
Am späten Nachmittag liegt die LUV an der Mooringtonne vor dem Hafen der kleinen Lobsterstadt Stonington. Er könne, sagt Eggert bescheiden, zum Abendessen auch mit ner Schnitte Brot auskommen. Das wird er wohl auch müssen. Draussen regnet es in Strömen. Der Wind bläst einem die Tropfen waagerecht ins Gesicht. Keiner hat Lust auf den weiten Weg ins Dorf und wer weiss, ob es dort eine ordentliche Kneipe gibt.
Wir schauen in unseren Vorräten nach, ob da was zu Abendbrot taugen könnte. Eggert kniet vor dem Schapp und gibt bekannt: Zwei Dosen rote Bohnen. Eine Dose grüne Erbsen. Eine sehr kleine Dose Hühnersuppe, leicht verrostet. Sauerkraut. Tomatenpürree, Oliven. Ananassscheiben im eigenen Saft. Keine Fleisch, keine Wurst, kein Fisch.
Der Vorschlag wird laut, Erbsen mit Ananas zu kochen. Oder mit den Oliven die Hühnersuppe zu verlängern. Oder das Sauerkraut mit dem US-amerikanischen Kalorienhit „Aunt-Jemima-Syrup“ zu verfeinern. Eggert wiederholt tapfer sein Angebot mit den Brotschnitten.
Dazu kommt es dann doch nicht. Wir besinnen uns darauf, keine Weicheier zu sein, ziehen uns dickes Ölzeug und die schweren Seestiefel an und steuern das Beiboot durch das Sauwetter in Richtung Pier. Zehn Schritte entfernt
von dem Dinghi-Dock, der Anlegestelle, wartet „Fischermans Friend“ auf uns. Die Lobsterbojen-Dekoration an den Wänden des hölzernen Gasthauses verrät uns, was auf der Speisekarte zu finden ist. Eggert braucht keine
Karte. Er weiss was er will.
Heiko Tornow