Auf See zu den Cap Verden
Wetter: Passatwind 4 bis 5. Leicht bewölkt. Noch wärmer
Wir haben unseren ersten Fisch gefangen! Nun ja, er hat sich uns sozusagen selbst hingegeben. Morgens lag das Exemplar der Gattung Fliegender Fisch zwischen den Leinen auf dem Vorschiff. 7 ( in Worten: sieben) Zentimeter ist er lang, eher wenig beeindruckend aber doch Anlass zur tiefen Zufriedenheit in der Mannschaft. Was haben wir nicht alles angestellt auf unserer Reise, um endlich mal so ein Flossentier zu erlegen. James hat ein halbes Vermögen in hochseetaugliches Fanggerät investiert. Hunderte von Meilen haben wir mal diesen, mal jenen Köderfisch hinter der Luv hergeschleppt. Nie auch nur ein Biss.
Die Hoffnung auf Thunfisch haben wir noch nicht vollständig aufgegeben. In Erwartung reichen Fanges haben wir in den Vorräten alles für ein zünftiges Sushigericht: Sojasoße, Wasabi, Stäbchen und natürlich: „Whitewine with the fish.“
Auf Madeira nahm James bei einem örtlichen Fischer sogar einen ganzen Tag lang praktischen Nachhilfeunterricht im Hochseeangeln. Über 100 Euro kostete das, blieb leider jedoch ganz ohne Ergebnis. Der Fischer teilte James zwar mit, die Saison sei nun mal leider vorbei, die gelbflossigen Tunfische und die gigantischen Blue Marlins seien fortgezogen. Diese demotivierende Erkenntnis betonte er jedoch erst im Anschluss an den teuren Trip zu den „Big-Game Fishinggrounds“. Als Trost verkaufte der Fischer seinem deutschen Kunden noch einen gebrauchten Köder, der seinen großen scharfspitzen Haken mit den bunten Tentakeln eines Plastik-Oktopus tarnte: „Der ist garantiert fängig.“
Gestern Abend stellt er diese Eigenschaft unter Beweis. Wir haben den Second-hand-Tintenfisch schon eine ganze Weile hinter der Luv im Schlepp, als die Rolle laut ratschend abläuft. Ein Biss! Till springt mit einem reaktionsschnellen Satz zur Angel, haut die Bremse rein, will den Fang reindrehen. Da ist die Sehne auch schon ausgerauscht. Der dreifach fachgerechte Seemannsfischereiknoten gibt mit lautem Zäng nach. Der Fisch, den wir fast gefangen hätten, war gewiss riesengroß und hätte uns sicher einen Preis im Angel-Sonderwettbewerb der ARC-Ralley eingetragen. Till schlägt vor, statt dessen unseren Fliegenden Fisch bei der Jury einzureichen. Für alle Fälle machen wir ein Beweisfoto, bevor wir den kleinen Aussenbordskameraden über die Kante werfen. Er roch schon.
Mittlerweile umschwirren uns hunderte der beflügelten Kiemenathmer . Mit jeder Meile, die wir nach Süden vorankommen, werden es mehr. Sie werden auch größer. Eggert beschwert sich erschrocken. In der Nacht fliegt ihn ein Fisch “ heimtückisch und mit gefletschten Zähnen“ von hinten an die Beine und zappelt dann unten in den Speichen des Steuerrades. Wir spülen ihn über Bord.
Am Nachmittag hat die Luv für einige Stunden einen blinden Passagier an Bord. Ein spatzengrosser Vogel landet in der Takelage und ruht sich – über 250 Kilometer vom nächsten Land entfernt- von seinem Irrflug aus. Wir werden daran erinnert, dass nicht alles was fliegt, auch schwimmen kann. Der Vogel bleibt nicht lang. Er wird wohl ersaufen.
Till berichtet, sein Vater habe früher oft erzählt, wie er in seinen Matrosenjahren fliegende Fische am Äquator gefangen habe. Er fuhr damals auf einem Tanker, das beladene Schiff lag tief im Wasser. Anfliegende Fischschwärme wurden mit großen Lampen angelockt. An Deck hatte der Smutje Pfannen aufgestellt und davor ein Brett mit zahlreichen scharfen Messern, die Spitze nach oben. Flog nun so ein Fisch über die Bordwand, schlachtete er sich sozusagen selbst und landete, im Idealfall schon ausgenommen, in der Pfanne.
Ob das nicht Seemannsgarn sei, fragt Basti, er ist Mediziner und glaubt nicht gleich alles. Ich versichere ihn, an der Geschichte sei nicht alles gelogen. Fliegende Fische kann man tatsächlich essen. Sie schmecken ähnlich wie Heringe. Michael, der sich gerne um unser leibliches Wohl sorgt, stellt eine Pfanne an Deck und geht in die Kombüse. Er wetzt die Messer.
Heiko Tornow