Leichte Schauer
Nordost 3 bis 4
Der Abend vor dem Start der ARC- Wettfahrt.
Segler sind die besseren Menschen. Weltoffen sind sie, tolerant, sozial vorbildlich, kameradschaftlich und ehrlich. Diese gut begründbare und feste Überzeugung gerät ins Wanken, wenn man – wie wir gerade – neben einer in Amerika gebauten Luxusyacht festgemacht hat, die von Österreichern gesegelt wird und die einen großen Hund an Bord haben. Der Hund, ein grosser schwarzhaariger Kläffer, kommt auch im Hafen selten an Land und wird stundenlang von der Crew als Wache allein gelassen. Der Hund, er heisst Benji, scheißt dann – was soll er auch machen – aufs Vorschiff. Der leichte Nordostpassat bläst eine streng riechende Duftwolke zu uns rüber. Und wir mögen das nicht.
Es sind dicke Werke darüber geschrieben worden, ob Tiere auf Segelbooten Sinn machen. Gegen Papageien, von jeher Begleiter von Piraten und anderem seefahrenden Volk, ist eingewendet worden, sie würden mit Vorliebe die unanständigen Sprüche der Seeleute auswendig lernen und sie dann lauthals verbreiten. Das kann schon mal peinlich werden, wenn der Seemann seine sprichwörtliche Braut mit an Bord nimmt und sie liebevoll davon überzeugen will, dass seinesgleichen zu den besseren Menschen gehört. Ganz ehrlich! Großes Seemannsehrenwort! Und genau jetzt krächzt der Vogel was Obszönes.
Tierschützer weisen übrigens darauf hin, das Papageien, zumal die bei Piraten beliebten bunten Aras, niemals allein gehalten werden dürfen. Das ist – auch aus Platzgründen – ein weiterer Ausschlussgrund.
Katzen gelten dagegen in der Seefahrt als Glücksbringer. Wir haben auch eine an Bord. Sie hängt über dem Kartentisch der Luv und hat ein Vorleben als Schlüsselanhänger. Tatsächlich ist die Luv auch noch nie gesunken, seit diese Katze bei uns ist. Das mit dem Katzenglück mag damit zusammemhängen, dass diese schnurrigen Jäger in den alten Tagen der christlichen Seefahrt die Windjammer frei von Ratten hielten. Und wo keine Ratten, da auch keine sinkenden Schiffe.
Aus jenen Tagen vor der Erfindung des Lebensmittelverfalldatums sind uns die Geschichten von den damals häufigsten tierischen Mitseglern überliefert. Die kleinen Maden versteckten sich im auch ohne sie schwer verdaulichen Schiffszwieback.
Sie mussten von harten Matrosenfäusten mühsam aus dem Brot auf den Teller herausgeklopft werden. Es gab im wesentlichen zwei Arten, die eine mit schwarzem Kopf und die andere soll sogar geschmeckt haben.
Gerade hat sich übrigens der Hund von nebenan von Bord auf den Steg geschlichen und pinkelt dort hemmungslos auf die Bohlen. Das österreichische Herrchen steht auf, geht hin und wir denken erleichtert: Gleich nimmt er einen Schlauch und spült die Miege fort. Weit gefehlt. Er ignoriert die doch recht ansehnliche Pfütze und schaut sich fremde Segelboote an. Sein eigenes fährt übrigens unter der Flagge des kleinen Inselstaates St. Vincent, Hauptstadt Kingston. Ob er da gemeldet sei weil das eine Steueroase ist, frage ich ihn. Doch, ja, da gebe es schon einen Zusammenhang, sagt der Hundefreund.
Auf eben dem Steg sitzt ein Ehepaar, das auch Vorbehalte gegen Tiere auf ihrem Schiff hat. Die beiden haben Berge von frischen Apfelsinen, Mangos, Bananen und anderes Obst vor sich ausgebreitet und waschen den Proviant sorgfältig Stück für Stück mit einer Wurzelbürste. Der neugierige Frager wird beschieden: „Wir wollen keine Kakerlaken im Schiff haben.“ Salzwasser sei besonders geeignet, auch die Eier der daumengrossen braunen Krabbeltiere zu killen.
Salzwasser? Aus diesem Hafenbecken? Wir sind für das Paar aus England dankbar, dass der Hundehalter den Steg nicht doch noch gespült hat.
Heiko Tornow